Bücherwelten, Interview, Neuerscheinungen

Drei Fragen an Susanne Thiele

ZU RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN FRAGEN SIE IHRE TÜRKLINKE

Wie Mikroben unseren Alltag bestimmen – Neues und Erstaunliches über unsere vielseitigen Mitbewohner

Schöner wohnen mit Mikroben
Autorenfoto

©Verena Meier (bg-motiv: shutterstock/CI)

Wir können sie nicht sehen und doch leben wir mit Milliarden von ihnen zusammen: Mikroben. Sie bevölkern unser Bad, richten es sich kuschelig in unserem Schlafzimmer ein und lassen es sich in unserer Küche schmecken. Wie wir Bakterien, Viren und Pilze erfolgreich in Schach halten und welche uns und unserer Gesundheit sogar nützen, erzählt die Mikrobiologin Susanne Thiele so fundiert wie unterhaltsam.
Mit vielen Tipps für die richtige Hygiene im Alltag und für ein gesundes Leben mit unseren »Untermietern«.

Drei Fragen an Sachbuchautorein Susanne Thiele

Susanne Thiele hat an der TU Braunschweig Mikrobiologie und Biochemie studiert, ist seit 2007 in der Wissenschaftskommunikation tätig und war schon immer eine begeisterte Leserin, offen für die unterschiedlichten Genres und eine leidenschaftliche Geschichtenerzählerin seit sie schreiben kann.

Soeben ist ihr aktuelles Buch mit dem großartigen Titel »Zu Risiken und Nebenwirkungen frage Sie Ihre Türklinke«. Ich (Jeanine) kenne Susanne schon eine ganze Weile und verfolge mit großem Interesse ihren Blog Mikrobenzirkus, der als als Wissenschaftsblog 2018 ausgezeichnet wurde.

Üblicherweise stellen wir unseren Gästen die gleichen Fragen, weil wir es immer wieder spannend finden, unterschiedliche Sichtweisen kennenzulernen, aber bei Susanne Thiele sind wir zumindest bei der ersten Frage von unserer Routine abgewichen, weil uns die Antwort ganz besondert interessierte.

In welchem (Spannungs-?) Verhältnis siehst Du Wissenschaft und unterhaltende Literatur?

Das ist eine sehr spannende Frage und damit könnten wir schon das ganze Interview füllen J. Romane oder erzählende Sachbücher bieten meiner Meinung nach eine riesige Chance, um Wissen „ganz anders“ zu vermitteln.
Forscher/innen schreiben normalerweise wissenschaftliche Publikationen oder akademische Texte, die nur ein spezielles Publikum erreichen. Über Pressestellen gelingt der Sprung einiger Themen noch in die Medien. Roman- oder Sachbuchautoren leisten aber eine ebenso wichtige, wenn nicht sogar bessere Arbeit in der Wissensvermittlung, weil sie durch die künstlerische Aufarbeitung und Vermittlung von komplizierten Tatsachen ganz neue und breitere Zielgruppen erreichen.

Bei erzählenden Sachbüchern beispielsweise wird ein Wissensthema in Form von Geschichten dargeboten. Der Leser wird also unterhaltsam und fast etwas beiläufig informiert. Ich bezeichne das auch als „Edutainment“ (unterhaltsames Lernen). Das komplexe Thema wird in eine Handlung oder Rahmen eingepackt und mit Emotionen verknüpft. Dass wir unser Wissen über Geschichten weitergeben, ist eine uralte Tradition und funktioniert bei Kindern und bei Erwachsenen seit Jahrhunderten auch ohne Bücher. Beim Geschichtenhören entstehen Bilder im Kopf und wir können uns später viel besser an die Fakten erinnern. Das sorgt für einen optimalen Lerneffekt.

schreibtisch im Gartenhaus

© privat

Es ist aber auch kein Wunder, dass ich meine Liebeserklärung für das Genre „Erzählendes Sachbuch“ oder „non-fiction“ – wie es im Englischen heißt, abgebe. Ich bin selbst Sachbuch-Liebhaberin (z.B. Bill Bryson, Ed Yong) und Fan guter Wissenschafts-Thriller, die meine Bücherregale füllen. Wissenschaft bietet eben alles, was gute Geschichten oder Krimis brauchen. Forscher arbeiten wie Detektive, suchen fieberhaft nach Lösungen für globale Probleme, erleben Rückschläge und Niederlagen, heftige Konkurrenzkämpfe unter Rivalen oder auch Liebe im Job. Exzellenter Stoff für jeden Schreibenden!

Aber Sachbücher zu schreiben, hat auch eine anstrengende und zeitaufwändige Seite – die wissenschaftliche Recherche, die dem Schreiben vorangeht. Im fertigen Sachbuch werden faszinierende Storys und unterhaltsame Anekdoten in einer für Laien verständlichen Sprache angeboten. Trotzdem müssen die wissenschaftlichen Fakten dahinter stimmen und auch die Literaturquellen korrekt und aktuell sein. Das macht gute Sachbücher aus. In meinen Recherchephase sammeln sich daher auch viele Stapel englischer Studien und Fachbücher auf meinen beiden Schreibtischen (Sommeroffice in der Gartenlaube und Schreibdomicil auf dem Dachboden) und keiner darf etwas anfassen und durcheinanderbringen.

Wie lautet Dein wichtigster Tipp für angehende Sachbuchautoren?

Da gibt es ein paar Tipps, die wichtig sind:
1. Schreib über ein Thema, in dem Du Experte bist oder über ausreichende Erfahrungen verfügst. (Wenn Du Dich nicht gleich an ein ganzes Buch traust, dann starte erstmal einen Blog zum Thema, sammle Stoff und lerne von den Leserkommentaren)
2. Hol eine Literaturagentur ins Boot, die Sachbücher betreut und an Verlage vermittelt.
3. Schreib ein Exposé, strukturiere ein Inhaltsverzeichnis und bereite ein Probekapitel von mindestens 30 Seiten vor. (Sachbücher werden nicht über komplett fertige Manuskripte an Verlage vermittelt)
4. Trau Dich und fang einfach an!

Was hat Dich zu deinem Buch »Zu Risiken und Nebenwirkungen frage Sie Ihre Türklinke« inspiriert?
Katze

@ privat

Mit Mikroben befasse ich mich ja auch beruflich als Pressesprecherin des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig. Daher auch meine Erfahrung, dass Bakterien, Viren & Co haben in der Öffentlichkeit leider ein sehr schlechtes Image haben. Meist nehmen wir sie nur als sie als gefährliche Krankheitserreger war und haben Angst vor ihnen und bewaffnen uns mit Desinfektionsmittel und Antibiotika, um sie vollends auszumerzen. Dabei sind die wenigsten gefährlich. Die meisten Mikroorganismen sind essentieller Bestandteil unseres gesunden Lebens. Sie halten die Stoffkreisläufe des Planeten am Laufen, machen unsere Verdauung möglich oder trainieren auch unser Immunsystem. In meinem Blog „Mikrobenzirkus“ setze ich seit 2015 ein kleines Gegengewicht gegen diesen antibakteriellen Trend. Seit etwa 10 Jahre rücken die Vorteile der Mikroorganismen glücklicherweise durch die Mikrobiomforschung auch mehr in der Vordergrund.

Mehr Mut zu etwas Dreck

Gerade in unserem ganz normalen Alltag in unseren Häusern oder Wohnungen herrscht aber noch viel Unsicherheit, über einen selbstbewussten und gesunden Umgang mit Keimen. Da wird noch viel zu sehr mit „Kanonen auf Spatzen“ geschossen mit antibakteriellen Oberflächen und Reinigungsmitteln. Mit diesem verhalten erwischen wir natürlich wie ein Rasenmäher auch alle nützlichen Mikroben gleich mit. Es ist Zeit für Natur- und Artenschutz im ganz Kleinen!

Die Botschaft des Buches ist daher: Mehr Mut zu etwas gesundem Dreck! Und es gibt zahlreiche Tipps dafür, wie Ihr Zuhause mit den kleinen Untermietern in guter Nachbarschaft leben könnt und auch viele Geschichten zum Schmunzeln dazu.

Woran arbeitest du?

Im Moment steht natürlich das Buchmarketing an erster Stelle. Ich gebe viele Interviews, bereite Lesetermine und Leserunden vor oder schreibe Gastartikel für andere Internetportale. Oft öffnen solche Sachbücher auch die Türen für ganz neue Kooperationsprojekte, die im Moment noch in den Kinderschuhen stecken und auf die ihr aber gespannt sein dürft. Natürlich habe ich auch schon eine vage Idee für mein nächstes Sachbuchprojekt, für das ich aber noch etwas vorrecherchieren muss.

Und ich mache zur Abwechslung noch was ganz Praktisches mit meinen Mikroben. Ich starte gerade damit, Workshops zur Kunst des Fermentierens zu geben. Das ist eine alte Methode, um Gemüse durch Milchsäuregärung durch Bakterien haltbar zu machen. Die Fermente sind gleichzeitig sehr gesund als Probiotika für unser Immunsystem im Darm. Das ist euch sicher bekannt vom Sauerkraut. Bei diesem wiederentdeckten Foodtrend probieren wir in den Kursen alles aus: probiotische Limonaden mit Wasserkefir, Komboucha, Backen mit Sauerteig, scharfe Kimchi-Rezepte und vieles mehr. Ein bunter Regenbogen aus gesunder Geschmacksvielfalt!

Aktuelle Termine:

Kulturnacht 22. Juni 2019
Lesung im »Bücherwurm«, Schlossstrasse 8 in Braunschweig 18:30-19:15 Uhr