Drei Fragen an Ramona Ambs
Die Journalistin und Schriftstellerin Ramona Ambs lebt mit ihrer Familie in Heidelberg, wo sie nun auch als Poesietherapeutin praktiziert.
Die Autorin wurde in eine jüdisch-katholische Familie in Freiburg geboren. Nach dem Besuch diverser Schulen in Freiburg und Heidelberg, und Stationen in Amsterdam und Istanbul, studierte sie Pädagogik und Germanistik. Schon während des Studiums veröffentlichte sie einige ihrer Gedichte und Essays in Anthologien. Seit 2003 arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin.
Sie zählt zur dritten Generation deutschsprachiger jüdischer Autorinnen nach dem Holocaust und thematisiert diesen und dessen Folgen immer wieder in ihren Büchern und Gedichten. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in einem kleinen schmalen Haus mit einem Erdbeergärtchen und einer kaputten Kunstpalme im Süden Heidelbergs.
Seit 2019 arbeitet sie als Poesietherapeutin in eigener Praxis in der Stadt am Neckar.
Ramona Ambs schreibt über jüdisches Leben in Deutschland und der Welt, ihre Gedichte fahren auf Bussen durch Heidelberg und als Schriftstellerin debütierte sie mit der viel beachteten Erzählung Die radioaktive Marmelade meiner Grossmutter. Ihr neuestes Buch Beinah eine Blume ist in diesem Jahr erschienen.
Interview
Was bedeuten dir das Schreiben und die Literatur?
Ramona Ambs Literatur hat mich gerettet. Meine Kindheit war nicht sonderlich schön und ich war oft sehr einsam. Als ich dann aber endlich lesen und in Büchern verschwinden konnte, war das wie eine magische Tür zu einem anderen Leben, zu anderen Menschen. Und das war sehr tröstlich. Ich habe Freunde in diesen Büchern gefunden. Figuren, die ich in meiner Phantasie aus den Büchern raus und rein in mein Leben geholt habe. Sie sind mit mir draußen auf die Bäume geklettert, bevor sie abends wieder zwischen die Seiten des jeweiligen Buches schlüpften.
Ich wollte von Anfang an auch gestaltender Teil dieses anderen, literarischen Universums sein. Nicht nur lesend, sondern auch selbst erzählend, dichtend und erfindend. Und vor allem: ich hab meine Stimme vermisst in den Büchern. Ich mochte, was ich las, aber es war nie meine Sprache. Deshalb musste ich einfach schreiben.
Wie lautet dein wichtigster Tipp für angehende AutorInnen?
Ramona Ambs Das Wichtigste? Schreiben, wie die eigene Feder gewachsen ist. In der eigenen Stimme. Und über Themen, die einem wichtig sind oder Freude bereiten. Sich bloß nicht von anderen erzählen lassen, was das Publikum so will. Das wichtigste Publikum für den eigenen Text ist man selbst.
… uuund was man noch braucht: Viel Zeit für die Protagonisten.
Schreiben ist ja ein furchtbar einsamer Beruf. Man sitzt monatelang den ganzen Tag nur mit den eigenen Figuren am Schreibtisch – die sollte man dann schon mögen und verstehen, sonst wird das Ganze sehr anstrengend. Man sollte ihnen soviel Seele und Leben einhauchen, dass es völlig zweitrangig wird, ob sie hinterher als Buch verlegt wenden oder nicht. Hauptsache man hat eine gute Zeit mit ihnen verbracht. Und für die beginnende Verlagssuche natürlich: Innere Immunität aufbauen. Am besten ein Schutzschild, ein dickes Fell und Drahtseilnerven zulegen.
Kaum jemand war von Anfang an erfolgreich. Aber gerade wenn man noch nie verlegt wurde, ist das eigene Selbstbewusstsein anfällig für Kritik. Mein erstes Manuskript ging u.a. an einen Verlag, der mich nach einigen Wochen anrief, um mir abzusagen. Die Dame am Telefon meinte, dass ich dieses Manuskript ja wohl sicher nicht ernst meinen könne, ich sei doch intelligent und wüsste das selbst und ich würde ihr sicherlich mal dankbar sein, dass man das nicht veröffentlicht hätte.
Ich war damals so perplex, dass ich gar nicht antworten konnte. Und ich hab lange gebraucht, bis ich mich wieder getraut habe, das Manuskript erneut an einen anderen Verlag zu schicken. Der Verlag, der mich angerufen hatte, ging im Jahr drauf dann übrigens pleite … und mein Buch erschien in einem anderen Verlag. Mittlerweile bin ich vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, Selfpublisher, weil es für mich stimmiger ist, dass ich vom Titel, übers Cover und letztlich auch beim Lektorat/Korrektorat selbst entscheiden kann, was passiert. Diese Freiheit weiss ich, trotz der vielen Nachteile, zu schätzen.
Was hat dich zu dazu inspiriert, Poesietherapeutin zu werden und – wie wird man das überhaupt?
Ramona Ambs Zur Poesietherapie kam ich eher auf Umwegen. Ich habe die letzten Jahre als Schriftstellerin immer wieder intensive Gespräche mit meinen Lesern gehabt. Sie schrieben mir, wie hilfreich sie meine Bücher in bestimmten Situation fanden oder baten um Rat, wie sie ein bestimmtes Problem angehen sollten. Da ich keine gute Ratgeberin bin, aber eine gute Zuhörerin, kamen fast alle im Verlauf der Gespräche selbst auf eine Lösung, die ihnen weiter half. Dabei hab ich manchmal die Figuren aus meinen Büchern zur Hilfe geholt: »Was meinen Sie, was der alte Anwalt Heinrich Jakob aus dem Roman Mrozek nun wohl in dieser Situation tun oder sagen würde?« habe ich beispielsweise gefragt, und die erlesenen Figuren haben durch die Leser selbst Antwort gegeben. Oder ich habe die Leute aufgefordert in einer bestimmten Art und Weise Tagebuch zu führen, um herauszufinden, ob bestimmte Dinge so stattfinden, wie sie sich anfühlen. Auch gezielte Textübungen und Gedichte, die die Leser dann selbst geschrieben und mir geschickt haben, haben geholfen.
Vor drei Jahren hab ich dann durch meine dänische Cousine, die als Psychotherapeutin in einem Jugendheim arbeitet, erstmals von dem Beruf Poesietherapeutin gehört und bemerkt, dass es eigentlich das ist, was ich bis dahin schon teilweise intuitiv mit meinen Lesern gemacht habe. In den skandinavischen Ländern, in England und den USA ist Poesietherapie bekannt und anerkannt und es gibt in fast jeder Klinik, jeder sozialen Einrichtung neben Psychotherapeuten, Kunst- und Musiktherapeuten, eben auch Poesitherapeuten. In England geht das Ganze soweit, dass man sogar Bücher auf Rezept verordnen kann.
In Deutschland ist man davon noch weit entfernt. Kaum einer kennt Poesietherapie. Es gibt keine einheitliche Ausbildung in diesen Beruf und es ist in Deutschland leider heilkundlich auch (noch) nicht anerkannt, was insofern ungeschickt ist, weil meine ganze Ausbildung, die ich an verschiedenen Instituten gemacht habe und mit einem Fernstudiengang Psychotherapie kombiniert habe, sowie mit einer Ausbildung in therapeutischer Gesprächsführung nach Rogers, sehr auf Krankheitsbilder fokussiert war. Und gerade für depressive Menschen oder Traumatisierte hat die Poesietherapie viele Möglichkeiten der Intervention. Therapiebegleitend darf ich hier auch tätig sein, aber man befindet sich rechtlich in einer Grauzone.
Deshalb begleite ich bisher vor allem Klienten in Lebenskrisen, die sich mit Hilfe von Literatur – selbst geschriebener und erlesener – wieder auf die eigenen Beine stellen wollen, oder die mit Hilfe von Poesie- und Bibliotherapie sich selbst analysieren und besser kennen lernen wollen.
Über ihre literarischen Zukunftspläne sagt Ramona Ambs: Ein Gedichtband ist in Planung, aber derzeit schreibe ich an einem Buch, was ich eigentlich schon vor zwei Jahren angefangen habe, aber dann kam mir die »Beinah eine Blume« dazwischen. Die Beinahblume hat sich vorgedrängelt, weil es dringend mal geschrieben werden musste- und das andere Buch hat ungeduldig gewartet. Aber jetzt ist es endlich dran und es geht darin um eine Schriftstellerin, die ihre Texte mehr liebt als einen gefüllten Kühlschrank. Mehr wird noch nicht verraten …
Beinah eine Blume
Heim. Das sagt heute kein Mensch mehr. Es heißt Jugendhilfeeinrichtung. Das Wort dauert neunmal so lang, klingt wie ein frisch gewaschenes Flanellhemd und tut trotzdem genauso weh. Lumi lebt dort. Mit immer wieder neuen Kindern und Betreuern. Man gewöhnt sich besser an niemanden. Lumi hat das schnell gelernt. Das funktioniert auch so lange gut, bis ein neuer Psychologe kommt, der sich ganz besonders um Lumi bemüht. Und bis Mbye im Heim auftaucht, der als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling hier noch weniger ein Zuhause findet als die anderen …